Die Aufrechterhaltung des palästinensischen Widerstands in all seinen Formen – Khaled Barakat

Photo: Oren Ziv/ActiveStills

Übersetzt aus dem englischen Artikel von Electronic Intifada

Von Khaled Barakat

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Vor 50 Jahren bezog der palästinensische Intellektuelle Ghassan Kanafani eine klare Position bezüglich des Boykotts von Israel. Zu dieser Zeit war Kanafani nicht nur ein angesehener Roman- und Kurzgeschichtenautor, sondern auch der Sprechführer der bewaffneten Revolution im Namen der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP).

„Unserer Boykott basiert auf keinen emotionalen Standpunkten, sondern er ist viel mehr ein natürlicher Teil unserer Konfrontation gegen unseren Feind. Boykott ist an sich ein Standpunkt.“, schrieb Kanafani damals.  Diese Bemerkung war Teil der Antwort Kanafanis auf eine Debatte zwischen israelischen und palästinensischen Studenten in Zypern in Rahmen einer Fernsehshow von BBC. „Mit seinem eigenen Feind zu sitzen, auch in einem Fernsehstudio, ist ein großer Fehler in unserem Kampf, den wir nicht als kleinen Fehler abtun können.“, sagte Kanafani. „Wir befinden uns im Krieg und zumindest für die Palästinenser ist es eine Frage über Leben und Tod“.

Kanafanis Worte wurden im August 1972 in der Zeitschrift „Palestinian Affairs Magazine“  („Zeitschrift für palästinensische Angelegenheiten“) nach seiner Ermordung durch den israelischen Außengeheimdienst Mossad veröffentlicht. Kanafanis eigenes Leben repräsentierte ein allumfassenden Ansatz des palästinensischen Widerstands: Bewaffneter Widerstand, Kulturarbeit, internationale Solidarität und Boykottaktionen, die sich alle gemeinsam Richtung Gerechtigkeit, Befreiung und Rückkehr richteten.

Einheitliche Vision

Das Verständnis dieser historischen Vision einer internationalen Befreiung, lehrt uns wichtige Lektionen, die den heutigen Aktivist*innen für Befreiung und Gerechtigkeit in Palästina helfen die neuen Repressionen zu konfrontieren. Diese einheitliche Vision des palästinensischen Widerstands wird heutzutage regelmäßig mit bösartigen Attacken durch israelische Propagandaorgane, wie dem „Ministerium für strategische Angelegenheiten“ bekämpft. Bis Anfang des Jahres wurde dieses Ministerium noch von Gilad Erdan geführt. Gilad Erdan ist ein Politiker der rechtsextremen Likud-Partei und ist bekannt für seine Politik der Verwahrung der Leichen von ermordeten Palästinenser*innen ohne diese den Angehörigen zurück zu geben oder für seine Maßnahmen der Einstellung der Wasserrationen für palästinensische politische Gefangene in seiner Nebenrolle als Minister für innere Sicherheit.

Zurzeit kandidiert Erdan als Kriegsverbrecher als israelischer Botschafter in den USA und der UN.

Die Anschuldigungen der Propagandisten haben oft keine Basis, sind schlecht recherchiert und irrsinnig verschwörungstheoretisch. So behaupten sie zum Beispiel, dass palästinensische Menschenrechtsgruppen, die Klagen beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht haben, Mitglieder oder Gruppen von verbotenen politischen Parteien wie der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) wären. Israels Verbündete in Europa, der USA und in anderen Teilen dieser Welt, die selber eine lange Geschichte von rassistischer Kolonialisierung, Siedlerkolonialismus und heutigem Neoimperialismus haben, reagierten positiv auf diese Anschuldigungen.

Palästinensischer Widerstand in all seinen Formen, selbst die harmloseste Form des Boykotts und die Verweigerung eines Handels, der auf Ausbeutung durch eine Kolonialmacht basiert, wird in der Öffentlichkeit verdreht und als unakzeptabel, kriminell und fanatisch verleumdet.

So hat die Europäische Union zum Beispiel die Finanzierung von palästinensischen NGOs beschränkt. Nach den neuen Bedingungen müssen alle Individuen, Mitarbeiter*innen und Partner*innen der NGOs vorzeigen und bestätigen, dass sie und ihre Projekte in keiner Weise mit  einer der palästinensischen politischen Organisationen, die durch die EU als „terroristisch“ eingestuft werden, in Verbindung stehen. Gleichzeitig belohnt die EU Israel für ihre Verbrechen. All diese Vorgehen haben die Absicht die Boykottbewegung gegen Israel zu kriminalisieren.

Ein weiteres Beispiel ist die Anti-BDS Resolution durch den deutschen Bundestag, sowie die Finanzierungsbeschränkungen von palästinensischen NGOs in Dänemark, Holland und in weiteren Staaten, die mit der BDS Bewegung in Verbindung gebracht werden.

Diese repressiven Kampagnen sollen den Palästinensischen Widerstand und seine politischen Organisationen kriminalisieren. Durch Unterbindung von finanzieller Unterstützung solcher Organisationen, sollen Aktivitäten und Maßnahmen wie z..B. der Versuch Israel für seine Kriegsverbrechen anzuklagen, die Bekämpfung der und Öffentlichkeitsarbeit zu der ethnischen Säuberung Jerusalems oder die Verteidigung von Menschenrechten der palästinensischen Gefangenen, die unter Folter, Misshandlung oder Administrativhaft ohne Grund leiden, verhindert werden.

Darüber hinaus zielen diese Beschränkungen und Repressionen darauf die internationale Boykottbewegung und den palästinensischen bewaffneten Widerstand von internationaler Unterstützung zu isolieren und so einen Keil zwischen die beiden Formen des Widerstands zu installieren, sodass sie als unkombinierbar und sich gegenseitig ausschließend erscheinen, um sie schließlich beide zu vernichten.

Beginnend bei dem sogenannten „Dörferbündnissen“ („village leagues“) bis hin zur Palästinensischen Autorität (PA) und ihr Sicherheitsabkommen mit Israel im Rahmen der Oslo-Verträge hat Israel und seine imperialistischen Partner immer wieder versucht die palästinensischen Organisationen und Bewegungen  dazu zu zwingen sich selbst im Interesse der Kolonialisten zu transformieren.

In diesem Fall wird von der Boykottbewegung, den Zivilorganisationen und Solidaritätskampagnen erwartet sich von den genuinen Bewegungen und Kämpfer*innen, die den palästinensischen Kampf und ihr Volk am Leben gehalten haben, zu entfernen und diese abzulehnen.

Die Aufrechterhaltung jeglichen Widerstands

Um diese Attacken auf den palästinensischen Freiheitskampf effektiv zu verhindern ist es nicht nur nötig falsche Anschuldigungen aufzudecken, sondern ihre ursprünglich Produktion zu verhindern. Verbindungen zum bewaffneten palästinensischen Widerstand und seinen politischen Parteien ist kein Grund zur Scham oder eine Rechtfertigung für Repression.

Ein Beispiel dafür ist die palästinensische Kampagne gegen Unterstützungen oder Finanzierungen, die an Bedingungen geknüpft sind. Um diesen Standpunkt klar und deutlich zu machen, haben palästinensische Organisationen Millionen von Dollar verweigert.

Ein anderes Beispiel finden wir in Libanon. Samah Idriss, Gründungsmitglied der Boykottbewegung gegen Israelunterstützer in Libanon äußerte sich diesbezüglich wie folgt:

„Boykottaktionen sind Teil des „allumfassenden Widerstands“, der auch bewaffneten Widerstand beinhaltet. Beide Formen des Widerstands, der zivile und der bewaffnete, ergänzen sich gegenseitig und sollten nicht als sich gegenseitig ausschließend betrachtet werden“.

Die scheinbare Erleichterung die eine Distanzierung zum bewaffneten Widerstand angeblich mit sich bringt ist im besten Fall eine kurzweilige Erleichterung. Der mehr zu beachtende Teil dieses Diskurses ist, dass man mit der Distanzierung die Menschen an den Frontlinien des Befreiungskampfes delegitimiert, kriminalisiert und isoliert. Israel und seine Verbündeten haben nie jemals irgendeine Form des palästinensischen Widerstand geduldet und Boykottkampagnen und zivile Organisation sind keine Alternative zum bewaffneten Widerstand, sondern gemeinsam interagierende Taktiken für den Befreiungskampf.

Jede ernstgemeinte Verteidigung des Palästinensischen Volkes muss das Recht des Widerstands gegen Kolonialismus mit allen Mitteln, den bewaffneten Widerstand eingeschlossen, befürworten. Ebenso wie sie dafür zu Sorgen hat, dass palästinensische Widerstandsgruppen von der „Terrorliste“ entfernt werden. Politische und mediale Kampagnen müssen bewusst daran arbeiten, die Legitimität  des bewaffneten Widerstands und seine Normalisierung zu fördern.

Die Legitimität des bewaffneten Widerstands zur Befreiung von Kolonialismus und Besatzung ist sogar im internationalen Recht anerkannt. Die selben europäischen Staaten, die heutzutage versuchen den palästinensischen Widerstand zu delegitimieren und zu kriminalisieren, sind die selben Staaten die ihre eigenen Widerstandskämpfer im zweiten Weltkrieg als Helden gefeiert haben. Offiziell erkennt die Europäische Union auch Nelson Mandela, einen kompromisslosen Praktiker des bewaffneten Widerstand, als Helden an.

Schwedens aktuelle Verfassung äußert explizit und sieht es als öffentliche Pflicht „in bestmöglicher Art sich zu verteidigen und Widerstand“ im Falle einer Besatzung zu leisten.

Auf welcher Basis, wenn nicht auf einer rassistischen, wird nur den besetzten Menschen durch Israel dieses Recht verwehrt ?

Kanafanis klare Vision und sein beispielhaftes Leben geben uns einen bedeutungsvollen Ansatz die Repressionen zu bekämpfen und die Freiheit Palästinas zu verteidigen.

Der zivile Widerstand, der bewaffnete Widerstand, die arabische und die internationale Boykottbewegungen und die internationalen Widerstandsbewegungen und Freiheitskämpfe fließen wie Wasserströme durch die verschiedenen Länder und auf verschiedenen Routen um am Ende gemeinsam in eine reißende Flut einer revolutionären Zukunft für Palästina zu münden.

Khaled Barakat ist ein palästinensischer Autor und Aktivist. Er bekam in Deutschland ein Verbot sich politisch zu engagieren und wurde aufgrund seiner politischen Aktivitäten und Einstellungen aus Deutschland verwiesen.