Der Gesundheitszustand des palästinensischen Gefangenen, Schriftstellers und Denkers Walid Daqqa verschlechtert sich zusehends. Am 7. Dezember 2022 gab die Palästinensische Gefangenengesellschaft bekannt, dass bei ihm nach medizinischen Untersuchungen Leukämie diagnostiziert wurde. Die palästinensische Gefangenenbewegung erklärte, dass die Verzögerung bei der Feststellung seines Gesundheitszustandes auf die medizinische Nachlässigkeit der zionistischen Besatzung und eine Politik des “langsamen Tötens” zurückzuführen ist, die sich gegen die palästinensischen Gefangenen insgesamt richtet. Sie wiesen darauf hin, dass die zionistische Besatzung und ihre Gefängnisverwaltung die volle Verantwortung für sein Leben und seine Gesundheit tragen.
Walid Daqqa leidet seit Jahren unter gesundheitlichen Problemen und Sorgen um sein Blut; vor zwei Jahren wurde ihm mitgeteilt, dass er regelmäßig Blutuntersuchungen erhalten sollte. Aufgrund der ständigen Verzögerungen bei der medizinischen Versorgung palästinensischer Gefangener, die Teil der Politik der medizinischen Vernachlässigung durch die Besatzer sind, hat er die angeordneten regelmäßigen Tests bis heute nicht erhalten, und sein Krebs blieb unerkannt.
Palästinensische Gefangene, die an Krebs erkranken, erhalten keine rechtzeitige Diagnose und keine angemessene Behandlung, und selbst an ihrem Sterbebett wird ihnen Mitgefühl verweigert – wie im Fall von Nasser Abu Hmaid, der in der Gefängnisklinik von Ramla dem Tod nahe war und ihm in seinem Zustand wiederholt die Entlassung verweigert wurde.
Daqqa ist einer der prominentesten und langjährigen palästinensischen Gefangenen, der durch seine schriftstellerische und kulturelle Arbeit hinter Gittern weithin bekannt ist. Er wurde 1961 in Baqa’ al-Gharbiyya im besetzten Palästina ’48 geboren und ist seit dem 25. März 1986 zusammen mit Ibrahim Abu Mukh, Rushdi Abu Mukh und Ibrahim Bayadseh inhaftiert, weil er eine Militärzelle der Volksfront zur Befreiung Palästinas gebildet hatte. 1985 nahm sie an einer palästinensischen Widerstandsaktion teil, bei der ein Besatzungssoldat gefangen genommen und getötet wurde.
Nach seinem Gefängnisaufenthalt erwarb er einen Master-Abschluss in Politikwissenschaft und schrieb mehrere Bücher im Bereich der politischen Theorie sowie Belletristik, darunter auch Kinderbücher. Bei mehreren Gelegenheiten war er harten Repressionen ausgesetzt, darunter auch Einzelhaft, die sich insbesondere gegen seine expressive Arbeit richtete. So wurde Daqqa beispielsweise in Einzelhaft genommen, als er ein neues Kinderbuch mit dem Titel “Das Geheimnis des Öls” veröffentlichte; eine Veranstaltung zur Vorstellung des Buches in der Stadt Majd al-Kurum wurde vom rechtsextremen israelischen Minister Aryeh Deri abgesagt. Im Vorwort des Buches schrieb Daqqa: “Ich schreibe, bis ich aus dem Gefängnis befreit werde, in der Hoffnung, das Gefängnis von mir zu befreien”. Er schrieb diese Worte nach der Schließung eines palästinensischen Theaters in Haifa, das ein auf seinem Werk “Parallel Time” basierendes Stück aufgeführt hatte.
Khaled Barakat schrieb über Daqqas Werk folgendes: “Dieser Roman wurde unter Kindern und Jugendlichen weit verbreitet und ist ein lebendiges Beispiel für die Notwendigkeit, über die ‘symbolische Beziehung’ zu ikonischen Gefangenen hinauszugehen und eine tiefere, engere Beziehung zwischen dem Leser und dem Schriftsteller herzustellen. Der Gefangene ist in diesem Fall in erster Linie ein kreativer Mensch, aber auch ein Schriftsteller und ein Kämpfer”.
In dem Buch erzählt Daqqa eine phantasievolle Geschichte über ein Kind, das durch geschmuggeltes Sperma geboren wurde, wobei palästinensische Gefangene Sperma zu ihren Frauen schmuggeln, damit diese hinter Gittern Kinder bekommen können. Im Jahr 1999 heiratete Daqqa Sana’ Salameh, obwohl er hinter Gittern saß, und im Jahr 2020 brachte Sana’ ihre Tochter Milad zur Welt, die mit Daqqas geschmuggeltem Sperma gezeugt wurde.
Zur Geburt von Milad sagte Sana’ Salameh: “Zunächst einmal war Milad unser Traum. Aber die Idee, ein Kind zu bekommen, ist für jedes Paar möglich, das nicht in unseren Verhältnissen lebt. Mit anderen Worten: Für ein verheiratetes Paar ist es selbstverständlich, nach der Heirat Kinder zu bekommen. Hinter israelischen Gitterstäben war es jedoch so gut wie unmöglich, Vater oder Mutter zu sein. Der Traum, eines Tages Milad zu haben, begleitet uns schon seit 20 Jahren. Wir haben ihr sogar schon vor ihrer Geburt einen Namen gegeben. Das Fehlen einer möglichen Befreiung hat uns dazu gebracht, die Herausforderung anzunehmen, und es ist uns gelungen, ein Kind zur Welt zu bringen, was eines Tages ein Traum war. 2020 wurde unsere wunderschöne Tochter Milad geboren. Es war notwendig, sich der Ungerechtigkeit und der Entbehrung zu stellen und nicht der Verzweiflung nachzugeben. Milads Geburt war die Kerze, die die Welt erhellte, und die Verwirklichung des Traums, den wir bevor nicht als Wirklichkeit erhoffen durften.”
Daqqa ist auch einer der am längsten inhaftierten palästinensischen Gefangenen und einer von 26, die aufgrund israelischer Verstöße gegen die berüchtigten Osloer Abkommen nicht freigelassen wurden. Im Fall von Daqqa und anderen Langzeitgefangenen aus Palästina ’48 hat sich das zionistische Regime geweigert, ihre Freilassung als kollektive Angelegenheit mit den anderen palästinensischen Gefangenen zu behandeln, weil sie israelische Staatsbürger sind. Hinter den Gefängnisgittern werden sie jedoch genauso behandelt wie alle anderen palästinensischen Gefangenen, ohne die Privilegien, die jüdischen israelischen Gefangenen gewährt werden, wie z. B. Freigang am Wochenende und Besuche von Ehepartnern.
Die palästinensische Gefangenenbewegung gab nach Daqqas Diagnose die folgende Erklärung ab: “Als wir uns zum Widerstand gegen die Besatzung entschlossen, wussten wir, was auf uns zukommen würde, ob Märtyrertod oder Gefangenschaft und alles, was damit verbunden ist. An vorderster Front stehen dabei die Krankheiten, die unsere Körper heimsuchen. Aber heute bekräftigen wir, dass wir trotz des Schmerzes, der unsere Herzen erdrückt, wenn wir sehen, wie Krankheiten die Körper unserer Brüder heimsuchen, noch entschlossener und engagierter sind, den Kampf bis zur Befreiung und Selbstbestimmung fortzusetzen!”
Samidoun Netzwerk zur Verteidigung Palästinensischer Gefangenen schließt sich der palästinensischen Gefangenenbewegung an und weist auf die anhaltende Politik der medizinischen Vernachlässigung hin und unterstreicht, dass die Besatzung die volle Verantwortung für das Leben und die Gesundheit von Walid Daqqa, so wie für die Situation aller kranken und behinderten Gefangenen trägt. Wir fordern die sofortige Freilassung von Walid Daqqa und allen palästinensischen Gefangenen!