Das Collectif Palestine Vaincra war eine wichtige Organisation der palästinensischen Befreiungsbewegung in Frankreich. Im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampf hat der amtierende Präsident Emanuel Macron die die Organisation verboten. Ein Interview mit dem „Comité contre la dissolution du Collectif Palestine Vaincra“, das gegen das Verbot kämpft.
Vielen Dank, dass ihr euch für das Interview Zeit genommen habt. Im „Comité contre la dissolution du Collectif Palestine Vaincra“ haben sich verschiedene linke und revolutionäre Organisationen, insbesondere aus Toulouse, zusammengeschlossen. Wer seid ihr und warum habt ihr zusammen gefunden?
Dieses Komitee wurde im März 2022 in Toulouse gegründet und besteht aus rund 30 Organisationen, darunter gewerkschaftliche, linke und radikal linke Organisationen, antifaschistische Gruppen, kurdische und pro-palästinensische Organisationen. Sein Ziel ist es, das Verbot des Collectif Palestine Vaincra (CPV, deutsch: Komitee Palästina wird siegen, Anmerkung der Redaktion) durch die französische Regierung zu kritisieren.
Nach dieser sehr tiefgreifenden politischen Entscheidung Macrons und seines Innenministers scheint es uns wichtig, dass das Kollektiv nicht alleine ist und dass diese autoritäre und freiheitstötende Offensive alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte angeht.
Könnt ihr kurz erklären, welche politische Arbeit das Comité Palestine Vaincra gemacht hat und warum es so wichtig ist, gegen seine Auflösung zu kämpfen?
Das Collectif Palestine Vaincra war eine Organisation der Unterstützung des palästinensischen Volks und seines Widerstands in der Tradition der antikolonialistischen und antiimperialistischen Bewegung. Mit dem Verständnis, dass Israel eine Siedlungskolonie und der Vorposten des Imperialismus in der arabischen Welt ist, verteidigte das Kollektiv die Perspektive eines freien und demokratischen Palästinas vom Meer bis zum Jordan sowie das Rückkehrrecht des palästinensischen Geflüchteten, die seit der Nakba 1948 das Land verlassen mussten.
Als Mitglied des internationalen Netzwerks Samidoun war die Unterstützung politischer Gefangener das Herzstück der politischen Arbeit. Besonders wichtig war dabei der Kampf für die Befreiung Georges Abdallahs, ein libanesischer Kommunist und Kämpfer der palästinensischen Befreiung, der seit 1984 in Frankreich gefangen gehalten wird.
Es ist wichtig gegen die Auflösung zu kämpfen, denn diese Entscheidung ist ein sehr tiefgreifender Angriff auf die Solidaritätsbewegung mit Palästina. Hinter dem Kampf gegen dieses politische Verbot steht auch der Kampf gegen die Kriminalisierung der Antizionismus und Antiimperialismus. Mehr als je zuvor gilt es klarzustellen, dass ein Angriff auf einen von uns ein Angriff auf alle Partisan:innen der Gerechtigkeit und Emanzipation ist.
Seht ihr einen Zusammenhang zwischen der Auflösung von Palestine Vaincra und der Präsidentschaftswahl in Frankreich?
Während der ersten Amtszeit Emmanuel Macrons haben wir eine autoritäre Radikalisierung der französischen Staatsmacht beobachten können. Das hat sich auf verschiedene Arten ausgedrückt, insbesondere in der Repression gegen jegliche Form von Kräften, die den Staat herausgefordert haben; in der Annahme neuer Gesetze, die das Sicherheitsarsenal verschärfen, unter anderem die Gesetze zum Seperatismus und das neue Sicherheitsgesetz; sowie in die Auflösung zahlreicher Organisationen, wovon vor allem muslimische und antirassistische Gruppen betroffen waren.
Die Auflösung von Palestine Vaincra zählt eher in diese Dynamik. Aber es ist klar, dass die Präsidentschaftswahlen in Frankreich auch ein politischer Kristallisationspunkt sind, an dem der Präsident seine Machtdemonstrationen kurz vor Ende seiner Amtszeit verstärkt. Diese Auflösung ist da eins von vielen Beispielen.
Spielt auch der israelische Staat eine Rolle bei der Auflösung?
Es ist klar, dass der israelische Staat eine Rolle gespielt hat. Im Februar 2021 hat der israelische Verteidigungsminister und Kriegsverbrecher Benny Gantz Samidoun und Palestine Vaincra als „terroristische Organisationen“ eingestuft, wie viele andere palästinensische Organisationen und Gruppen der Solidaritätsbewegung auch.
Nach dieser Einstufung forderten viele französische Befürworter:innen der israelischen Apartheid eine Auflösung des Kollektivs. Nach einer einjährigen Kampagne, die von mehreren gewählten Vertreter:innen aus Toulouse und Parlamentarier:innen aus Macrons Mehrheit getragen wurde, wurde die Auflösung Ende Februar wenige Stunden vor dem jährlichen Abendessen des CRIF bekannt gegeben, welche die wichtigste pro-israelische Lobbyorganisation in Frankreich ist.
Mehr noch: Emmanuel Macron brüstete sich persönlich mit der Auflösung des Collectif Palestine Vaincra. Bei den Gedenkfeiern für die Opfer der Anschläge von Mohammed Merah in Tolouse, erklärte er den Antizionismus vor dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog zum „Feind der Republik“.
Das sagt viel aus über die skandalöse Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus, aber auch über die Zusammenarbeit Frankreichs mit dem israelischen Apartheidsstaat bei der Kriminalisierung der Solidaritätsbewegung mit Palästina.
Für den 15. bis 22. April ruft ihr zu einer Aktionswoche auf. Welche Aktionen sind in dieser Zeit geplant und kann man diese auch aus Deutschland unterstützen?
Vom 15. bis zum 25. April rufen wir zu einer Aktionswoche gegen die Auflösung vor dem Staatsrat auf. In Toulouse findet am 21. April eine Versammlung statt, bei der wir unsere Ablehnung der Auflösung und der sicherheitspolitischen Offensive bekräftigen werden. Weltweit finden mehrere Initiativen statt, vor allem rund um den 17. April, dem Tag der palästinensischen Gefangenen.
Diese Verbindung ist besonders wichtig, da die Unterstützung für palästinensische politische Gefangene wie Georges Abdallah und Ahmad Saadat als Rechtfertigungsgrund im Auflösungsdekret dienten. Dies ist ein äußerst schwerwiegender Angriff! Wir rufen also alle Unterstützer:innen des palästinensischen Kampfes dazu auf, Solidaritätsaktionen mit dem Kollektiv zu machen, wie Collagen, Solidaritätsfotos, Graffiti, Kundgebungen etc.
Natürlich ist die Unterstützung aus Deutschland für uns sehr wichtig, vor allem wenn man bedenkt, dass unsere beiden jeweiligen Länder strategische und führende Verbündete der israelischen Apartheid sind. Samidoun Deutschland organisiert zum Beispiel Initiativen in Berlin am 18. April, aber auch in Frankfurt und Aachen am 16. April. Dies wird die Gelegenheit bieten, die Freilassung der fast 5000 palästinensischen politischen Gefangenen zu fordern, aber auch die anti-palästinensische Repression in Europa anzuprangern, wie die Auflösung des Kollektivs Palestine Vaincra oder auch die Ausweisung des palästinensischen Schriftstellers Khaled Barakat aus Deutschland.
Wollt ihr noch etwas zum Abschluss sagen?
Wir laden eure Leser:innen ein, sich an der Sammlung zur Unterstützung unseres Komitees zu beteiligen und online eine Spende zu machen. Ansonsten ist die wichtigste Solidarität, den Kampf, den Palestine Vaincra begonnen hat, fortzusetzen – den entschiedenen antiimperialistischen Kampf für die Befreiung Palästinas vom Meer bis zum Jordan!